Low-Code- und No-Code-Plattformen erleben einen neuen Hype – und n8n steht aktuell besonders im Rampenlicht. Das Open-Source-Tool zur Workflow-Automatisierung begeistert durch seine Flexibilität, seine große Zahl an unterstützten Apps und seine Möglichkeit zur Selbst-Hosting. Kein Wunder also, dass große Investoren wie Highland Europe, HV Capital, Sequoia Capital, Felicis Ventures und Harpoon Ventures beeindruckt sind: Sie investierten jüngst 55 Millionen Euro in n8n, um das Wachstum weiter zu beschleunigen.
Auch auf Plattformen wie unite.ai belegt n8n mittlerweile Spitzenplätze. Als „bahnbrechender Open-Source-Konkurrent“ wird es dort an erster Stelle der besten Tools für Workflow-Automatisierung gelistet – noch vor vielen etablierten Lösungen. n8n punktet mit nativer Unterstützung für über 170 Apps, nahezu unbegrenztem Integrationspotenzial über APIs und einer transparenten, offenen Architektur. Das Versprechen: leistungsstarke Automatisierungen für jeden – ohne Abhängigkeit von teuren Closed-Source-Plattformen.
Schon 2021 hatte das Handelsblatt die Vision von Low-Code- und No-Code-Lösungen wie n8n aufgegriffen und formuliert: Programmieren wird durch modulare Baukastensysteme einfacher und zugänglicher als je zuvor. Doch bei aller Begeisterung stellt sich eine entscheidende Frage:
Reichen Plattformen wie n8n wirklich aus, um die komplexen Anforderungen moderner Unternehmen nachhaltig zu lösen? Oder macht die rasante Entwicklung von KI-gestützter Software traditionelle Low-Code-Ansätze bereits wieder überflüssig?

Low Code statt Programmierung – die faszinierende Umsetzung von Workflows
n8n trifft den Nerv der Zeit: Eine Plattform, die komplexe Workflows ermöglicht – ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse vorauszusetzen.
Statt mühsam Codezeile für Codezeile zu schreiben, können Nutzer mit n8n grafisch Prozesse modellieren: Apps verknüpfen, Datenflüsse definieren, Aktionen automatisieren.
Was n8n besonders attraktiv macht:
- Schneller Start: Die intuitive Benutzeroberfläche und die große Auswahl an vorgefertigten Nodes ermöglichen es, Automatisierungen innerhalb weniger Minuten aufzubauen.
- Einfache Automatisierung: Ob E-Mail-Benachrichtigungen, Datentransformationen oder komplexe API-Workflows – viele Aufgaben lassen sich ohne eine einzige Zeile eigenständigen Codes lösen.
- Geringe Einstiegshürde: Durch die Open-Source-Natur und die Möglichkeit, n8n selbst zu hosten, können auch kleinere Unternehmen oder Entwicklerteams flexibel und kostengünstig starten.
Gerade in Präsentationen und Demos wirkt n8n beeindruckend:
Workflows entstehen scheinbar mühelos, Verbindungen zwischen Systemen sind schnell gezogen, und die Ergebnisse werden in Echtzeit sichtbar. Diese Leichtigkeit der Umsetzung erzeugt einen starken ersten Eindruck – und vermittelt das Gefühl, dass komplexe Prozessautomatisierung heute für jeden erreichbar ist.
In den letzten Monaten hat sich die Landschaft weiter verändert: Mit dem Aufkommen leistungsstarker KI-Modelle wie LLMs (Large Language Models) wird nicht mehr nur klassische Prozessautomatisierung gefragt. Die Fähigkeit, KI-Modelle flexibel zu integrieren, Texte zu analysieren, Inhalte zu generieren oder Entscheidungen in Workflows einzubauen, scheint durch Low-Code-Plattformen wie n8n nun für jeden zugänglich. Was früher komplexe Entwicklungsprojekte erforderte, lässt sich heute scheinbar einfach zusammenklicken – zumindest auf den ersten Blick.
Reality-Check: Wann Low Code funktioniert – und wann echte Programmierung nötig ist – 3 Beispiele
Einfaches Beispiel – „Hello World“
Nachvollziehbar, kennt man und macht eine klasse Demo! Ein simpler Workflow, der eine Anfrage an ein LLM wie ChatGPT schickt und eine Antwort zurückliefert und auf Basis der Antwort eine Rückgabe an den Benutzer macht – etwa „Sag mir Hallo Welt“.
Das Aufsetzen eines solchen Flows gelingt spielerisch: HTTP-Node auswählen, API-Schlüssel einfügen, Prompt eingeben, fertig. Solche Anwendungsfälle werden oft in Demos präsentiert – schnell, beeindruckend und vollkommen ohne Programmierung.
Komplexer Ansatz – für eine AI-Integration
Am anderen Ende des Spektrums: Wenn mehrere APIs orchestriert werden sollen, wenn Textdaten und Bilddaten verarbeitet und miteinander kombiniert werden müssen, wenn Fehlerbehandlung, Formatkonvertierungen und Performance eine große Rolle spielen – dann stößt Low Code an seine natürlichen Grenzen. Die Formattierung der Daten, Strukturen, die über Text-Rein und Text-Raus hinausgehen und tiefere Entscheidungen erfodern zumindest auch im Low-Code Umfeld Javascript Programmierung Hier ist eher Softwareentwicklung gefragt, mit klar strukturiertem Code, robustem Error Handling und entsprechenden Werkzeugen zur Prüfung der Abläufe.
Die unsichtbare Komplexität und der schnelle Schritt zur Programmierung
Spannend wird es in einem Beispiel, wo auf den ersten Blick noch alles einfach aussieht.
Nehmen wir etwa einen typischen Produkt-Katalog im XML-Format, der Produkte und Varianten in einer Struktur abbilden muss: Größen, Farben, Lagerbestände und Preise.
In der Theorie scheint das in n8n Low-Code leicht lösbar: XML-Daten abrufen, aufbereiten und weiterverarbeiten. In der Praxis aber zeigen sich die Herausforderungen:
- XML muss sauber geparst werden.
- Beziehungen zwischen Hauptprodukten und Varianten müssen korrekt erkannt und abgebildet werden.
- Die transformierten Daten müssen anschließend in ein präzises, strukturiertes Format überführt werden, damit ein LLM oder eine API damit sinnvoll weiterarbeiten kann.
Was anfangs nach „nur ein bisschen Mapping“ aussieht, entwickelt sich schnell zu einem hochkomplexen Workflow – und hier wird deutlich: Low Code-Tools wie n8n stoßen bereits bei dieser mittleren Komplexität an ihre strukturellen und funktionalen Grenzen. Schnell programmiert man in Javascript auf Modul-Ebene ohne die entsprechenden Werkzeuge zur Prüfung und Validierung. Ab einem gewissen Punkt ist echte Programmierung nicht nur sinnvoller – sie ist notwendig.
Wie Künstliche Intelligenz Low Code ablösen könnte
Die Entwicklung der letzten Monate zeigt: Große Sprachmodelle (LLMs) wie GPT, Claude oder Gemini sind nicht nur in der Lage, Texte zu generieren oder Fragen zu beantworten – sie können auch Code schreiben, Prozesse strukturieren und technische Anweisungen eigenständig umsetzen.
Damit verschwimmt die ursprüngliche Grenze, die Low-Code-Plattformen wie n8n erfolgreich gemacht hat: Was früher komplexe Programmierung war und durch grafische Oberflächen vereinfacht werden musste, kann heute direkt von einer KI erledigt werden.
- Benutzer beschreiben ein Ziel in natürlicher Sprache.
- Das LLM generiert funktionierenden, wartbaren Code.
- Der Code kann dynamisch angepasst, erweitert und integriert werden – ohne Umweg über grafische Oberflächen.
Dadurch verändert sich das gesamte Konzept der Workflow-Automatisierung:
Nicht mehr das visuelle Zusammenklicken einzelner Knoten bestimmt den Erfolg, sondern die Fähigkeit, intelligente, flexible und belastbare Lösungen direkt über KI-gestützte Codegenerierung zu schaffen.
KI kann Workflows nicht nur einfacher aufbauen, sondern sie auch optimieren, Fehlerquellen erkennen, bessere Datenmodelle vorschlagen – und das alles, ohne dass der Nutzer tief in Programmierlogik einsteigen muss.
Das Ergebnis: Mehr Flexibilität, mehr Skalierbarkeit, bessere Wartbarkeit – und das bei sinkender technischer Einstiegshürde.
Low Code war ein wichtiger Zwischenschritt.
Doch KI eröffnet eine neue Ära der Automation, in der die grafische Oberfläche nicht mehr der zentrale Hebel ist, sondern nur noch eine optionale Vereinfachung.
